Ich begann zu überlegen und ziemlich schnell kam mir die Antwort: Ich bin deine Botschafterin in dieser Welt. Botschafterin für das Evangelium, für die Liebe Gottes, die vor nichts zurückweicht und standhält. Ich bin Pastorin mit einem Auftrag, einer Vision, einem Ziel die Menschen zu Gott zu führen. Zum anderen bin ich eine Waffe, ein Schwert, welches kämpft, den guten Kampf des Glaubens, das Anfechtungen ausgesetzt ist, aber durch die Kraft Gottes gewinnen wird.
Diese Antwort sollte sich noch auf den Kopf stellen, denn ich begab mich auf die Suche nach der Bedeutung und Aufgabe meiner Person für Gott. Diese Reise nennt sich im akademischen Bereich, wo ich mein theologisches Studium absolvierte auch: Bachelorarbeit und ich möchte hier einige meiner Gedanken und Erkenntnisse aufzeigen. Ich habe diese Arbeit dem Thema «Jesus und die Kinder» gewidmet, denn ab hier kommen die Kinder ins Spiel.
In Markus 10,13-16 lesen wir von einer sehr bekannten und oft zitierten Stelle. Es ist die Perikope, bei der Jesus die Kinder zu sich lassen kommt und sie segnet. Mich faszinierte diese Stelle schon immer und ich wusste zugleich, dass hinter dieser Tat von Jesus mehr steckt. Jesus spricht hier: Lasset die Kinder zu mir kommen und wehrt ihnen nicht, denn ihnen gehört das Reich Gottes!» Die Jünger wiesen die Kinder ab, da sie in ihren Augen nicht genügten, um von Jesus gesegnet zu werden, obwohl sie grundsätzlich im Judentum als göttlichen Segen galten. Die Annahme, dass ihr wahrer Wert an dieser Stelle nicht erkannt wurde, ist gross vertreten. Im jüdischen Kontext war ein Kind erst Erwachsen, wenn es in der Synagoge die Toraprüfung ablegte und vorher hatte es noch nicht viel zu sagen. Seine Aufgabe war es, die Eltern zu ehren und dann eines Tages für sie zu sorgen. Dazu kommt, dass das Kind zu dieser Zeit ausserhalb von Israel überhaupt keine Stellung hatte, dass die Kindheit - welche ja nicht existierte - mit Hilfe von Aussetzungen, Morde usw. durch den Dreck der antiken Zeit gezogen wurde. In den Augen der Erwachsenen ist weder Wert noch eine soziale Stellung der Kindheit zu beobachten. Und ein sehr ähnliches Bild wurde nun in der Reformation weitergelebt, indem in den Menschen der Ursprung des Schlechten gesehen wurde. Und um dieses Schlechte bei den Wurzeln zu vernichten, wurde bei den Kindern angesetzt. Die Kinder wurden plötzlich zur Aufgabe des Staates, welcher sie durch Bildung zu geselligen und sozialen Menschen heranziehen wollte. Die Kindheit gewann erst langsam an Wert, da auch führende Pädagogen sich begannen damit zu beschäftigen. Dies ist nur ein kurzer Abriss des Bildes der Kinder im Laufe der Zeit. Jesus vertrat dieses Bild nicht, er revolutionierte es: denn nun waren plötzlich Kinder bei ihm an erster Stelle. Und auch Gott nennt Christen und Christinnen metaphorisch als seine Kinder. Diese Rede beschreibt nicht eine selbstverständliche Beziehung, denn der Anlass ist Gott, der den Menschen als sein Kind annimmt und so wie in 1.Johannes 3,1 aufzeigt, dass diese göttliche Annahme in der unendlichen Liebe Gottes gegründet ist.
So bin auch ich in erster Linie Kind Gottes. Diese Gotteskindschaft ist die Grundlage, das Fundament, auf dem sich mein Leben, meine Aufgaben und mein Sein definiert. Diese Gotteskindschaft wird mir geschenkt, gratis, ohne dass sie an irgendeine Leistung geknüpft ist und alles was ich tun muss ist glauben an Jesus Christus, an seine Erlösung. Und dadurch wieder darf ich meinen Schöpfer als Vater anrufen, ein Privileg, welches andere Weltreligionen so nicht kennen. Und somit gibt es bei Gott in seinem Reich auch nur Kinder Gottes, also Königskinder.
Doch aus der Identität der Gotteskindschaft ergibt sich auch einen Auftrag: wie das auch in einer Familie so ist. Hier hat jedes Mitglied seine Aufgaben, welche enorm wichtig sind, damit eine Familie stabil funktionieren kann. Und auch Jesus gibt uns in Markus 10,13-16 als seine Kinder einen Auftrag ganz speziell an Kinder dieser Welt. Denn kleine Kinder lernen sehr viel am Modell, also schauen sich bei den älteren Geschwistern so einiges ab. Wie wir handeln, denken und leben, so werden auch sie geprägt und mit ihnen die nächste Generation. Also habe ich folgende Thesen meiner Arbeit formuliert:
- Als Erwachsene haben wir den Auftrag, den Kindern den Zugang zu Jesus zu ermöglichen. Kinder müssen zu Jesus kommen können. Das soll durch die Erwachsenen ermöglicht werden, indem sie die Initiative ergreifen und den Kindern Jesus vorstellen, ihnen zeigen und erzählen wer er war, lebte und was sie alles schon mit ihm erlebt haben.
- Kinder sind nicht als mangelhafte und unmündige Wesen zu beobachten, weil Jesus dies auch schon nicht tat. Jesus trotzt dem jüdischen Denken, welches Kinder in ihren jungen Jahren noch nicht als mündig ansah und dem Denken im Wandel der Zeit, welches Kinder auch immer wieder als Erziehungsobjekte für den Staat sah. Jesus tut dies, indem er sie als Kinder vor Augen hat, die noch an Reife und auch an Mündigkeit zunehmen dürfen aber für ihn doch als vollwertig für seine Gegenwart gelten.
- Wenn in der Kirche Kinder nicht mehr zu Jesus kommen können, hat sie aufgehört Kirche zu sein. Die Kirche bekommt durch Jesus einen wichtigen Auftrag: die Kinder, die mitten in ihre Gemeinschaft gesetzt werden, sollen nicht zu Objekten ihrer eigenen Wohltätigkeit werden, sondern vorbehaltslos in ihre Gemeinschaft aufgenommen werden. Die Kirche als Leib von Christus soll den Kindern Jesus bekannt machen und von ihm erzählen. Dies weil ihnen das durch die Aussage von Jesus rechtmässig zusteht.
- Kinder sind die Zukunft unserer Kirchen, weil den Kindern gehört das Reich Gottes. Jesus malt für uns ein Bild, was es heisst Kind zu sein und durch das definiert er das Kind sein neu. Auch jeder Erwachsene ist für Gott sein Kind. Jesus verspricht den Kindern in seiner Vollmacht das Reich Gottes und lässt sie daran teilhaben, weil sie die Kunst des kindlichen Vertrauens kennen und keinerlei grosse Leistungen oder Besitz nachweisen können. Und alle, die diese Eigenschaften (das Erwachsensein einer kindlichen Demut nicht überstellen) annehmen, sind wie Kinder, sie sind Kinder Gottes. Auch du kannst so ein Kind sein! Wenn Jesus Kinder vor Augen hat sieht er viel mehr ihre positiven Züge wie Abhängigkeit und Empfänglichkeit.
Ich war lange von dem Leistungsdenken geprägt, welches mich auch wie am Anfang beschrieben zu der Antwort der Botschafterin oder des Schwertes drängte. Ich muss doch was leisten für Gott! Das stimmt nicht so ganz. Was ich muss, ist einfach sein Kind sein. In seiner Nähe, seiner Liebe leben und daraus, aus dieser Gotteskindschaft auch andere davon zu begeistern und anzuleiten. Als Ergebnis kann daher zusammengefasst werden, dass für Jesus zweierlei wichtig war: erstens, die Kinder sind gut genug, um an seinem Reich teilzuhaben und dürfen zu ihm kommen und zweitens, auch die Erwachsenen sollen lernen, diese kindlichen, vertraulichen Züge anzunehmen. Für unsere Zeit übersetzt heisst das, dass Jesus heute sagen würde: Sei ganz mein Kind und zeige deinen Mitmenschen wie das funktioniert, zeig ihnen wer ich bin und ich möchte euch mit meinem Himmelreich, meiner Liebe beschenken und segnen! Bist auch du bereit, Kind Gottes zu sein und als solches in dieser Welt zu wirken?
Und genau das hat mir Gott dann zu einem späteren Zeitpunkt leise in mein Ohr geflüstert: «Du bist für mich mein Kind und das genügt! Denn an meiner starken Hand wirst du ausgerüstet für alles was kommen mag!»
Ladina Wettstein
ehem. Bereich Kinder